Yasemin's
story

„Ich sehe die Bedürfnisse meines Körpers nicht mehr als Option, sondern als Notwendigkeit an!“

Bevor meine Geschichte beginnt, ist es wichtig zu wissen, dass ich eine Frau mit Migrationsbiografie bin, was in jedem Lebensabschnitt eine Herausforderung für mich dargestellt hat. Somit auch in meinem Jurastudium. Wenn ich an die Uni gehe und niemand unter den Professoren, sei es auch nur unter den wissenschaftlichen Mitarbeitern sehe, der auch nur annähernd meinen Background hat, wie soll ich denn emotional betrachtet wissen, dass es mir eine Möglichkeit ist, in der Branche mitzuspielen? Ich habe immer am Lehrstuhl als studentische Hilfskraft gearbeitet, wobei es mir extrem aufgefallen ist, dass alle Richter und Anwälte in den Fallbüchern Männer mit deutschen Namen sind. Jura ist auch immer noch ein Fach, dass sehr elitär besetzt ist, sich dort einzufinden ist nicht einfach. Ein Beispiel für die strukturellen Probleme sind die Examen. Ein bis zwei Jahre lernen, um all das Wissen in 6 Tagen á 5 Stunden herunterzuschreiben. Das ist keine Abfrage von Qualität, das ist ein Stresstest. Während ich das Glück hatte, dass mich meine Eltern jederzeit unterstützt haben, geht es leider ganz vielen Menschen nicht so. Diesem Privileg war ich mir jederzeit bewusst und bin sehr dankbar dafür. Jetzt stell Dir vor, Du hast den familiären Hintergrund, durch den Dir das Studium und eine Wohnung finanziert wird und Du Dich zu 100% auf das Lernen konzentrieren kannst. Stelle Dir jetzt im Gegensatz dazu vor, dass Du 20 Stunden nebenher arbeiten musst, um Dir die Miete zu leisten, vor der Prüfung Deine Eltern noch zum Arzt fahren musst, weil sie kein deutsch sprechen und so weiter.

Schmetterlingsmoment

Ich habe gemerkt, dass ich selbst dafür verantwortlich bin, in welche Umfelder ich mich begebe. Mich hat es total empowered, die Entscheidung zu treffen und mich vom Jura zu verabschieden. Das hat mir die Freiheit gegeben, in der Zukunft Entscheidungen zu treffen, die mein Glück fördern. Für mich ist es essentiell, dass man sich seiner eigenen Werte bewusst ist. Veränderung kann nur dann passieren, wenn wir sie internalisiert haben. Internalisierung bedeutet, ich bin mir erst mal meiner selbst bewusst. Was sind meine Werte? Was möchte ich verändern? Als Nächstes ist der Diskurs im eigenen Umfeld total wichtig. Es gibt ja viele Menschen, die haben keinen Bezug zu Menschen mit Migrationsbiografie. Die wissen gar nicht, warum manche Aussagen oder Gegebenheiten verletzend sein können. Aber es ist meine Verantwortung, mich zu informieren, wenn ich eine Person mit Migrationsbiografie im Umfeld habe und nachzufragen.

Ich habe darüber hinaus gelernt, mir zuzuhören, in einer Gesellschaft, in der alles so laut ist. Da besteht schnell die Gefahr, dass man die innere Stimme, die Intuition, nicht mehr hören kann. Das breitet sich irgendwann auf den Körper aus, dann geht gar nichts mehr. Ein extremes Beispiel dafür war in einer Prüfungsphase. Mental war ich so in meiner Bubble gefangen, dass ich eine Blasenentzündung hatte, ohne es zu merken und dann am Ende der Prüfungsphase mit einer Beckenbodenentzündung im Bett lag. Seitdem sehe ich die Bedürfnisse meines Körpers nicht mehr als Option, sondern als Notwendigkeit an. Das hat ganz viel verändert, denn meine Energie ist meine Kraft, gemäß dem Sinnbild: You cannot fill from an empty cup!

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